Die Stimmung zwischen Wirtschaft und Bundesregierung trübt sich weiter ein. Während Bundeskanzler Olaf Scholz eine blühende Zukunft erwartet, die durch die grüne Transformation hervorgerufen wird, verlieren die Unternehmensverbände allmählich die Geduld. So sieht BDI-Präsident Siegfried Russwurm die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands schwinden und fürchtet eine Deindustrialisierung. Gunther Kegel, Präsident des Verbands der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), beklagte sich auf der Hannover-Messe jüngst darüber, dass viele Länder mittlerweile verstört auf Deutschland gucken.
Belastende Faktoren
- Energie: Obwohl die Gas- und Strompreise im Vergleich zum Sommer/Herbst 2022 wieder gesunken sind, bleiben sie wohl dauerhaft mindestens doppelt so hoch wie vor den Krisenzeiten. Die Abschaltung der letzten Kernkraftwerke und neue Abhängigkeiten in der Gasversorgung lassen nichts Gutes erahnen.
- Steuern: Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ist das Unternehmenssteueraufkommen in den letzten 10 Jahren um 45 Prozent gestiegen. Deutschland ist im internationalen Vergleich ein Hochsteuerland.
- Infrastruktur: Viele Brücken auf deutschen Autobahnen sind marode und für den Schwerlastverkehr oder sogar ganz gesperrt, wie z. B. auf der A45. Dass der Staat Jahrzehnte von der Substanz gelebt und das viele Geld vor allem für die explodierenden Sozialbudgets verwendet hat, wird nun deutlich.
- Bürokratie: Aktuell jagen das neue Lieferkettengesetz, eine deutsche Besonderheit, und die kommende Nachhaltigkeitsberichterstattung dem Mittelstand kalte Schauer über den Rücken. Mittelbar sind davon alle betroffen, wie viele nun schmerzlich in den Info-Veranstaltungen von Kanzleien feststellen.
- Dirigismus: Die neue Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, die Eigentümern von Wohn- und Nichtwohnimmobilien zwingt, noch funktionierende Gas- und Ölheizungen allmählich zu entsorgen und wenig technologieoffen Wärmepumpen protegiert, ist nur die Spitze eines Prozesses, der unser Erfolgsmodell der Marktwirtschaft einem staatsdirigistischen System opfert.
- Inflation: Die ausufernde Staatsverschuldung in den Euroländern und die Ausweitung der Geldmenge durch die EZB-Politik haben zusammen mit einer Angebotsverknappung zu einer Inflationsrate von rund 10 Prozent geführt. Die wird mal runter und mal hoch gehen, aber dauerhafter sein als einem lieb ist. Das ist gut für Schuldner, aber schlecht für Gläubiger und Unternehmen, die nicht mehr vernünftig kalkulieren können.
Auswege des Mittelstands
Diese Entwicklungen sind in allen EU-Ländern mal mehr oder weniger ausgeprägt anzutreffen, in Deutschland aber besonders extrem. Besonders freuen sich im Moment die USA, die deutsche Unternehmen mit niedrigen Kosten und guten Rahmenbedingungen locken. Doch nicht alle Mittelständler können und wollen ihren Standort in die USA verlegen. Immer mehr investieren jedoch in andere Länder, darunter auch osteuropäische. Unternehmen, die in Deutschland bleiben, sind nun gezwungen, ihre Geschäftsmodelle zu überdenken und alle Kosten massiv zu senken. Dafür sind Investitionen in Software, Hardware und neue Technologien notwendig. Davor scheuen aber immer mehr Mittelständler zurück. Angesichts der Unsicherheiten halten sie „ihr Pulver“ lieber trocken.